Aus der Praxis

Das TRADITIONELLE ROLLENVERSTÄNDNIS! Immer wieder – und, meinem Gefühl nach, immer öfter mal in diesen Tagen – höre ich die Beschwörung des „traditionellen Rollenverständnisses", wenn 's darum geht, eine Bestätigung der eignen Ansichten zu bekommen. Dieses „Rollenverständnis“ ist ja ein bissl so, wie ein Herrscher, der auf seine „gottgegebene Legitimierung“ pocht, wenn er den Unterschied zwischen sich und seinen Untertanen erklären möchte: Ich bin oben! Du bist unten! Gott hat´s so gewollt! Gib a Ruh!

Auch hier wird etwas mit Verweis auf eine durchaus transzendale Ursache erklärt, das sich der profaneren Betrachtung entziehen mag – aber es macht Eindruck, das muss man sagen. Na ja, wenn 's Gott so gewollt hat, wird 's wohl stimmen.

Nur – ist das auch so?

 

Zeiten wie diese sind durchaus geeignet über vieles nachzudenken. Auch in der „neuen Normalität“, in der wir uns nunmehr wiedergefunden haben, wird es weniger Zerstreuung geben als vor dem Virus. Die Zeiten sind anders geworden, und die Probleme der Weltwirtschaft, erinnern uns daran. Und – wenn wir alle tendenziell mehr daheim bleiben – haben wir halt auch mehr Zeit, die Dinge zu hinterfragen.

 

 

So, was soll´s also? Ist es mit einem Achselzucken abgetan?

 

Ich denke nicht! Immer dann, wenn wir unseren Partner mit einer vorgefassten Meinung begreifen wollen, entzieht er sich uns. Immer wenn wir behaupten, wir wissen, wie Frauen halt so denken, finden wir unsere Frau nicht mehr. Immer wenn wir denken, mein Mann so ist wie alle anderen Männer auf dieser Welt, kennen wir gar keinen – und schon gar nicht den eignen… Die Individualität, die subtile Persönlichkeit der Liebsten, des Liebsten entdecken wir nicht in der Feststellung, dass eben keine Frau einparken kann, oder dass alle Männer Schweine sind. Das Klischee, es hilft uns im täglichen Leben voran zu kommen, ohne dass wir jede Situation immer neu und von Grund auf evaluieren müssen – das ist gut für unser Säugetiergehirn, das sonst bald mal heißlaufen würde – der einzigartigen Person meines Partners/meiner Partnerin wird es sicher nicht gerecht.

Und so finde ich manchmal keinen Weg mehr aus einem Wald, in dem so viele Bäume stehen, durch den so vielen Wanderpfade führen, in dem mir so viele Markierungen auf den Bäumen sagen, was ich zu denken habe. Nur, was hat das alles mit MIR oder mit MEINER Partnerin zu tun?